Neuerscheinung "Wertvolle Töchter"





Leseprobe: Kapitel 1

Eine ausweglose Situation

Mädchen sind bei einer Heirat oft der Ruin für die Familie und nichts wert. Sie werden als Last und notwendiges Übel hingenommen. Oft werden Mädchen gleich nach der Geburt getötet, wenn es nicht der ersehnte Junge ist. Bei einer Hochzeit verlangen die Eltern des Bräutigams eine Mitgift von den Brauteltern, die Kosten der Hochzeit und Geschenke. Außerdem wird Schmuck und Kleidung verlangt. Darüber hinaus ist es eine Einnahmequelle für die Familie des Bräutigams und eine große Belastung für die Brauteltern. Die Erwartungen der Familie des Bräutigams führen immer wieder zu Konflikten. Viele Frauen werden jedes Jahr im Zusammenhang mit Streitigkeiten um die Mitgift verstossen, geschlagen, drangsa-liert oder verbrannt.

Mitten im Dorf lebt Familie Firangi Singh mit ihren beiden Söhnen Muneshawar und Akhileshwar und fünf Töchtern. Keiner hatte je eine Schule besucht. Das wurde nicht als notwendig erachtet. Man kam auch so zurecht. Die Familie lebt von der Landwirtschaft. Vorwiegend wird Reis angebaut. Der Stolz der Familie sind die zwei Ochsen. Sie werden für den Holztransport eingesetzt, zum Pflügen der Felder und bei der Reisernte. Ziegen sorgen für die tägliche Milch und für das Fleisch bei einer Puja, der Opfergabe zu bestimmten Anlässen. Es ist nicht üblich, dass man beim Namen genannt wird. Die Eltern befehlen und man gehorcht. Akhileshwar hatte als Kind einen Unfall. Mit einem Stock hatte er sich am Auge verletzt. Fortan hatte er auf der rechten Seite, wo das Auge war, ein geschlossenes Augenlid. Nun stand es fest, mit einem Auge und somit entstellt, wird er keine Frau finden, die ihn heiratet.

Nacheinander werden die Töchter verheiratet. Fünf Esser weniger entlastete die Familie. Für das Brautgeld musste der Vater zwei Felder verkaufen, um das nötige Geld für die Mitgift zu haben. Bei der Hochzeit geht es auch darum, den Wohlstand der Familie öffentlich vorzuführen, die laut Tradition die Trauung und das anschließende Fest auszurichten hat. Ist ein Mann gefunden, dessen Familie mit dem Brautgeld einverstanden ist, wird nach dem Horoskop der Brautleute der Hochzeits-termin von dem Brahmanen festgelegt, in der Regel nach der Reisernte im Juni-Juli oder Januar-Februar. Die Trauung findet im Hof der Brauteltern statt. Der Brahmane liest verschiedene Sanskrit-Mantras, die nachgesprochen werden müssen. Danach übergibt der Brautvater seine Tochter dem Bräutigam. Das Ende des Saris wird mit dem Schal des Bräutigams verknotet als Symbol der Vereinigung. Der Höhepunkt bildet das siebenmalige Umkreisen des Feuers. Anschließend trägt der Bräutigam rotes Pulver (Sindoor) auf dem Mittelscheitel der Braut. Danach gilt die Ehe als rechtskräftig. Das Fest unter Beteiligung der Männer des ganzen Dorfes beginnt. Das kann bis zu drei Tage dauern.

Die Töchter von Firangi Singh waren in den umliegenden Dörfern verheiratet worden. Es gelang den Eltern, zwei Töchter an Brüder zu verheiraten, was die Belastungen der Kosten einer weiteren Hochzeit reduzierte. Zu den Geburten der Kinder kehren die Töchter ins Elternhaus zurück und bleiben 40 Tage, so lange gelten sie als unrein. Der Vater lernt dann erst sein Kind kennen, was ihn aber nicht wirklich interessiert. Ob ein Mädchen leben darf, bestimmen die Schwiegereltern. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, ein Mädchen zu töten, angefangen von einem Kissen auf den Kopf bis zum tödlichen Pflanzengift oder auch dem Wurf in den Brunnen.

Das verbrauchte Geld für die Hochzeiten sollte teilweise wieder ersetzt werden. Muneshwar sollte verheiratet werden. Für die Mutter war das Kochen und alle Arbeiten mühsam geworden. Eine Frau sollte ins Haus und die Arbeiten übernehmen. In einem Nachbardorf wurde ein Mädchen gefunden. Über das Brautgeld war man sich bald einig. Die Hochzeit wurde gefeiert. Pawo Devi, ein 14-jähriges schüchternes junges Mädchen, zog in das Haus ihrer Schwiegereltern. Die fremde Umgebung verängstigte sie; ohne ihre Mutter und Geschwister fühlte sie sich einsam. Was sie hier erwartete, wusste sie: absoluten Gehorsam gegenüber ihrem Mann und den Schwiegereltern. Ein roter Strich bis auf die Nasenspitze zeigte, dass sie jung verheiratet war. Das war so üblich. Für einige Wochen durfte sie von keinem fremden Menschen angesehen werden. Fortan war Pawo die Dienerin der Schwiegereltern. Sie folgten damit der Tradition. Ohne Einwilligung des Mannes und der Schwiegereltern durfte Pawo das Haus nicht verlassen. Eine Ausnahme war der Tempelbesuch, bei dem sie Frauen aus den Nachbarhäusern kennenlernte. Alle teilten das gleiche Schicksal. Hatte Pawo ihre Menstruation, so war der Tempelbesuch verboten. Sie durfte die Küchenecke nicht betreten und auch nicht kochen. Für diese Zeit schlief sie bei den Ochsen im Unterstand. Während der Menstruation fühlte sich Pawo schmutzig und schlecht. Das Blut klebte an ihren Schenkeln. Reisstroh stopfte sie zwischen die Beine, um das Blut aufzusaugen. Immer hatte sie Angst, es beim Gehen zu verlieren. In der Nacht vergrub sie das blutige Stroh auf dem Feld.

Mit dem Ehemann verband sie nicht viel. Am Tage war er beschäftigt. Sie teilte lediglich in der Nacht das Lager neben ihm; hielt still, wenn er sie bestieg. Der Vater und Muneshawar schliefen im Hof, auf der Holzliege, was das einzige Möbelstück der Familie war. Kam Besuch, so sassen alle Männer im Schneidersitz darauf und unterhielten sich.

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